Franziskus von Assisi

Schon zu Lebzeiten ist Franziskus von Assisi berühmt und steht im Ruf der Heiligkeit. Nach seinem Tod wird er innerhalb von zwei Jahren heiliggesprochen. Vieles aus seinem Leben ist bekannt und mehrfach verfilmt: Der gut situierte Bürgersohn, dessen Leben durch ein Berufungserlebnis eine Kehrtwende erfährt. Der charismatische Ordensgründer, der die Einsamkeit sucht, zahlreiche Details, an die man sich leicht erinnert: Der Traum des Papstes, der Wolf von Gubbio, … in manchen Teilen franziskanischer Literatur und Forschung wird er sogar als „alter christus“ [lat.: anderer/ zweiter Christus] bezeichnet.

Abseits von Heiligenlegenden ist Franz von Assisi bis heute Ausgangspunkt und Impuls für zahlreiche Ordensgemeinschaften – auch für uns Kapuziner. Wer also war dieser Heilige und was war Franziskus wichtig?

Einige Daten zu Franziskus

1181 oder 1182 – Franziskus wird unter dem bürgerlichen Namen Giovanni Battista Bernadone geboren.
1205 – Bekehrung vor dem Kreuz von San Damiano und Begegnung mit dem Aussätzigen.
1210 – Papst Innozenz III. billigt mündlich die Lebensform.
1211 – Die junge Gemeinschaft zieht in die Portiunkulakapelle ein.
1212 – Klara begründet den weiblichen Zweig des franziskanischen Ordens.
1219 – Begegnung mit Sultan Al-Kamil.
1220/21 – Gründung des Dritten Ordens (heute OFS).
1221 – Franziskus übergibt die Ordensleitung an Petrus Cattani.
1221 – „Nicht-bullierte Regel“
1223 – „Bullierte Regel“
17. September 1224 – Stigmatisation des Franziskus.
3. Oktober 1226 – Franziskus stirbt in der Portiunkula.
16. Juli 1228 – Heiligsprechung durch Papst Gregor IX.

4. Oktober – Gedenktag des heiligen Franz von Assisi.

Assisi – Stadt des Franziskus

„Geh und baue meine Kirche wieder auf …“

Franziskus lebt in einem Umfeld, in dem die offizielle Kirche stark „herrschaftlich“ bestimmt ist. Die prägende Gottesvorstellung ist Gott als Weltenherrscher und die Kirche tritt vielfach auch entsprechend prunk- und machtvoll auf. In zahlreichen Gotteshäusern und Klöstern ist „Herrschaftlichkeit“ durch Ausstattung und Lebensführung spür- und erlebbar, was im krassen Gegensatz zur Lebenswelt des Großteils der Bevölkerung steht und so an der Glaubwürdigkeit der Kirche nagt. Zwar gibt es schon Armutsbewegungen, doch Vertreter wie Waldenser oder Katharer haben sich als kritisches Gegenüber zur Kirche – also außerhalb – positioniert, sind infolgedessen auch amtlich ausgeschlossen und werden verfolgt.

In diese Zeit hinein wird Franziskus 1181 oder 1182 geboren. Bis zu dem einschneidenden Bekehrungserlebnis vor dem Kreuz im verfallenen Kirchlein von San Damiano in Assisi 1205 vergehen noch viele Jahre. Zumindest die Zeit unmittelbar vor diesem Ereignis ist bereits von der Suche nach Sinnhaftigkeit und Daseinszweck – einer Berufung – geprägt. Ausgangspunkt dafür dürfte eine Kerkerhaft in Perugia gewesen sein: Der unter dem bürgerlichen Namen Giovanni Battista Bernadone geborene Sohn eines reichen Tuchhändlers hat sich dem Städtekrieg zwischen Assisi und der benachbarten Stadt Perugia angeschlossen. Er ist angetrieben vom Wunsch, Ritter zu werden, womit er einen Adelstitel für die Familie will. In der kriegerischen Auseinandersetzung gerät er aber in Gefangenschaft. Wieder in Freiheit, will er sich zunächst noch einem weiteren Feldzug, einem Kreuzzug, anschließen, kehrt dann aber aufgrund eines ersten Berufungserlebnisses um. Die Biographen erzählen, dass ihm im Traum die Frage gestellt wird, wer ihm mehr geben könne, der Herr oder der Knecht. Gemeint sind der Herr, Jesus Christus, oder der Knecht, der Papst. Die Antwort ist klar. Das begreifend kehrt er um und begibt sich auf die Suche nach diesem wahren „Aufstieg“ im Gegensatz zum ursprünglich angestrebten Adelstitel. Immer öfter zieht er sich in Stille und Einsamkeit zurück.

Als er 1205 in der Kapelle von San Damiano betet, beugt sich Christus vom Kreuz zu ihm herunter und befiehlt ihm: „Geh und baue meine Kirche wieder auf“. Franziskus versteht Gottes Auftrag zunächst wörtlich und beginnt mit der Renovierung der verfallenen Kirche, in der er sich befindet und später noch zweier anderer. Das Bild des Mannes, der die Kirche aufbaut bzw. hält, wird uns wenige Jahre später nochmals im Traum des Papstes begegnen.

„Höchster glorreicher Gott,
erleuchte die Finsternis meines Herzens
und schenke mir rechten Glauben
sichere Hoffnung
und vollkommene Liebe.
Gib mir, Herr, das rechte Empfinden und Erkennen,
damit ich deinen heiligen und wahrhaften Auftrag erfülle!“

Gebet des heiligen Franziskus vor dem Kreuz in San Damiano

„Bitteres wurde mir süß…”

Die Begegnung mit einem Lepra-Kranken gilt als weiteres Schlüsselereignis. Dieses Erlebnis und die darin liegende Selbstüberwindung zeigen die Kehrtwende im Leben des Franziskus an.
Lepra, „der Aussatz“ ist zur Zeit des Franziskus eine nicht heilbare und hochansteckende Krankheit. Wer infiziert ist, wird von der Gesellschaft isoliert und ist verpflichtet, jeden Kontakt zu meiden. Die verbleibende Lebenszeit ist infolgedessen von existenzieller Armut und Not geprägt.

Franziskus trifft also einen Aussätzigen. Er umarmt den Mann und küsst ihn. Die Begegnung mit diesem von der Gesellschaft Ausgestoßenen wird zur Gottesbegegnung, die ihn sein Leben lang begleiten wird. In seinem Testament wird er 1226 darüber festhalten: „… als ich in Sünden war, kam es mir sehr bitter vor, Aussätzige zu sehen. Und der Herr selbst hat mich unter sie geführt, und ich habe ihnen Barmherzigkeit erwiesen. Und da ich fortging von ihnen, wurde mir das, was mir bitter vorkam, in Süßigkeit der Seele und des Leibes verwandelt. Und danach hielt ich eine Weile inne und verließ die Welt.“ Er beginnt sich um Arme und Aussätzige zu kümmern, sammelt Geld und will vor allem auch selbst ihr Leben in Armut teilen und so Christus nachfolgen. Die Radikalität in der Änderung seiner Lebensweise führt zu Konflikten und 1207 schließlich auch zum Bruch mit seinem Vater.

Das Bewusstsein, dass Gott gerade im Kleinen, in der Armut oder Bescheidenheit zu finden ist, ist in verschiedenen Elementen seiner Spiritualität immer wieder zu finden. Es stellt die Basis von Leben und Spiritualität aller Minderbrüder – der franziskanischen Orden – damals wie heute dar.

„Der Herr hat mir Brüder gegeben” – franziskanische Geschwisterlichkeit

Bereits 1208 schließen sich Franziskus weitere Männer an, die den Weg der Armut und des Lebens nach dem Evangelium mit ihm gehen wollen. Innerhalb kürzester Zeit werden es so viele, dass er 1212 nach Rom pilgert und den Papst um Billigung der Lebensform dieser ersten Brüdergemeinschaft bittet. In der Nacht vor dem Auftauchen des Heiligen Franziskus soll Innozenz III. geträumt haben, die Lateranbasilika sei dabei, einzustürzen. Ein kleiner, unbekannter Mann in rauer Kleidung stehe da und stütze sie. Der Papst gibt Franziskus daraufhin seine Zustimmung.

Im selben Jahr beginnt auch Klara, vom Beispiel des Franziskus angetrieben, ihr Leben in Armut und gründet in weiterer Folge den weiblichen Zweig des Franziskanischen Ordens. Ihre Ordensregel wird 1253 auf ihrem Sterbebett bestätigt.

Immer mehr Menschen schließen sich der Gemeinschaft an. Viele Menschen fühlen sich vom Beispiel des Heiligen Franziskus angezogen und zur Christusnachfolge berufen. Das bedeutet aber nicht, dass jeder zu Ehelosigkeit und klösterlicher Lebensform berufen ist. So gründet Franziskus 1220/21 den „Dritten Orden“ [heute: OFS] für Menschen, die „in der Welt leben“, also äußerlich ein bürgerliches Leben führen.

Unkomplizierte Geschwisterlichkeit, bei der alle ihren Platz haben sollen, ist sicher ein Merkmal des Heiligen Franziskus und der franziskanischen Familie [Anm.: Alle franziskanisch lebenden Gemeinschaften].

Auch in unserer Zeit wollen franziskanische Ordensleute diese Geschwisterlichkeit leben: Oft werden Gäste aufgenommen, arbeiten zahlreiche Menschen mit und haben in Ordenshäusern ein Stück Heimat. Unsere Klöster sind da keine Ausnahme.

Geschwisterlichkeit der gesamten Schöpfung

Heute kennen viele Menschen Franziskus vor allem als Patron der Tiere. Zahlreiche Legenden erzählen von Franziskus und Tieren, die in seiner Gegenwart zahm wurden. Sein Gedenktag ist auch Welttierschutztag. Tatsächlich umfasste für den Heiligen Geschwisterlichkeit nicht nur Menschen sondern alle Lebewesen und die gesamte Schöpfung. In seinem Sonnengesang, einem bis heute zahlreiche Male vertonten Gedicht, kommt das besonders zum Ausdruck. Dahinter steht die Grundaussage eines verwirklichten Reiches Gottes, wie es in den Evangelien steht: Das Reich Gottes ist nicht essen und trinken, es ist Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist.

„Kommt, lasst uns endlich anfangen…” – Lebenslanges Ringen um den richtigen Weg

Mit dem stetigen Anwachsen der Gemeinschaft kommt die Notwendigkeit, unterschiedliche Auffassungen der Lebensform zu diskutieren und Entscheidungen über die Ausrichtung des Ordens zu treffen. Zusammenkünfte aller Brüder zu Diskussion, Besprechung und Entscheidungsfindung beim sogenannten „Mattenkapitel“ gibt es erstmals zu Pfingsten 1212.

Immer stärker treten unterschiedliche Ansichten unter den Gefährten zu Tage. Dazu kommt, dass es Franziskus gesundheitlich immer schlechter geht. 1221 gibt Franziskus die Leitung des Ordens an seinen Mitbruder Petrus Cattani ab. Im selben Jahr ist die erste Regel fertig, die allerdings nicht vom Papst bestätigt wurde, weil sie der Gemeinschaft zu wenig rechtliche Struktur gab. Diese Regel ist als „nicht-bullierte Regel“ (Bulle=päpstlicher Erlass) überliefert. Zwei Jahre später hat Franziskus die überarbeitete Regel fertig, die dann auch bestätigt wird: Die „bullierte Regel“.

Franziskus selbst zieht sich immer wieder zurück, prüft sich und seinen Weg: Die Stille und das Alleinsein vor Gott haben ihn zu Beginn seines Weges geführt, sie begleiten ihn auch jetzt. Überliefert ist, dass er immer wieder auch mit seinem Weg hadert: Wie er seine Gemeinschaft in Frage stellt, stellt er auch sich selbst in Frage: Soweit, dass er sogar überlegt, sich ganz aus der Welt zurückzuziehen. Der Rat von Gefährten und der heiligen Klara gibt den Ausschlag und es bleibt bei dem Weg mit den Menschen. In der Stille, am Berg La Verna, erfährt er als erster Mensch die Stigmatisation, die Zeichnung mit den Wundmalen Christi.

Noch vom Ende seines Lebens wird berichtet, dass er immer wieder seine Mitbrüder motiviert: „Kommt, lasst uns endlich anfangen, denn bis heute haben wir nichts oder nur wenig getan.“ – Dies ist keineswegs als Herabwürdigung des Bisherigen gemeint, vielmehr als Aufruf, sich zu hinterfragen und auch in Frage stellen zu lassen und immer wieder neu anzufangen.

Nach dem Tod des Franziskus wächst und verzweigt sich die franziskanische Familie

Am 3. Oktober 1226 stirbt Franziskus in der Portiunkula. Bereits zwei Jahre später wird er heiliggesprochen. Wie schon zu seinen Lebzeiten, gibt es auch nach seinem Tod unterschiedliche Auffassungen, wie franziskanisches Leben aussieht oder praktikabel ist. Mehrere Abspaltungen und Wiedervereinigungen führen zu unterschiedlichen Ausformungen in der franziskanischen Lebensweise. Ab 1525 sind die Kapuziner ein Teil der großen franziskanischen Familie.

Heute versuchen wir als Kapuziner die Lebensweise des Franziskus in unsere Zeit und Umwelt hinein zu verwirklichen. Uns begleitet die Grundauffassung unseres Ordensvaters, geschwisterlich allen Menschen gegenüber zu leben, dort zu sein, wo wir gebraucht werden und in der Stille vor Gott Kraft und Richtungsweisung zu erfahren. Zahlreiche Menschen gehen mit uns: Glaubende und Suchende, Männer und Frauen, Junge und Alte begleiten uns und wir sie auf dem kapuzinisch-franziskanischen Weg der Nachfolge Christi.