Klara und Franziskus – zwei Pole franziskanischer Spiritualität
Eine junge Frau aus gutem Hause bricht mit 18 Jahren von zuhause aus, wirft alle in ihrem Kontext üblichen Regeln über Bord und findet Freiheit und Berufung in Armut und im kontemplativen Leben. Während der „Hype“ um Franziskus seit seinen Lebzeiten ungebrochen ist, ist die Größe Klara von Assisis auf den ersten Blick nicht fassbar. Als „zwei verschiedene Pole“ bezeichnet der Franziskaner und Klara-Experte Bruder Johannes Schneider die beiden Heiligen in einem Interview aus 2014. Zwei Pole franziskanischer Spiritualität mit dem armen Christus als Schnittpunkt.
„Kommt und helft mir … denn in Zukunft werden dort Frauen wohnen!“ Mit diesen Worten sammelt Franziskus mehreren Quellen zufolge unmittelbar nach seiner Berufung vor dem San-Damiano-Kreuz einige Menschen zusammen, die ihm bei der Renovierung der Kirche helfen sollen. Wir sprechen hier vom Jahr 1205, Franziskus steht noch einige Jahre vor der Gründung seiner Gemeinschaft. Klara selbst ist zu diesem Zeitpunkt 11 oder 12 Jahre alt. „In dem einen Auftrag, der vom Kreuzbild ausgeht, sind zwei Berufung enthalten: jene des Franziskus […] und jene Klaras […], und zwar nur beide zusammen können den Auftrag, das Haus des Herrn wieder aufzubauen, ganz erfüllen. […]“ (KiW 27) so Schneider. Klara ist also nicht einfach nur eine weibliche Jüngerin des Franziskus – sie ist ihren eigenen Weg gegangen, in vielen Aspekten parallel und inspiriert durch Franziskus, doch in jedem Fall mit ihren eigenen Akzenten, die wohl auch auf Franziskus zurück gewirkt haben – ein zweiter Pol, ohne den franziskanische Spiritualität nicht denkbar wäre.
Klara: Vertrauen auf Christus und Freude
Eine der bekanntesten Darstellungen der heiligen Klara ist die mit der Monstranz. Dieses Bild nimmt Bezug auf den Angriff feindlicher Truppen auf Assisi im Herbst 1240 bzw nochmals im Jahr darauf. Klara lässt sich aus der Kapelle das hl. Altarsakrament, also konsekrierte Hostien in ihrer Aufbewahrungsform der „Kustodie“ bringen und wendet sich in ihrem Gebet an den Herrn. Einigen Quellen zufolge wird ihr aus dem Gefäß heraus sogar Zusicherung von Schutz zuteil.
Unabhängig von der Interpretation des Wunders zeigen sich in diesem Bild mehrere Aspekte, die für Klaras Spiritualität und Leben wichtig sind. Da ist zum einen das absolute Vertrauen auf Christus, der sie und ihre Mitschwestern schützt und führt. Dies betrifft viele Bereiche, allen voran das Leben in Armut, aber auch ihren Berufungsweg und den Weg jeder einzelnen Schwester und der Gemeinschaft miteinander: Klara hat sich und ihre Gemeinschaft diesem Christus anvertraut. Dieses Vertrauen beweist sich erneut bei ganz konkreten, handfesten Bedrohungen wie einem Angriff von Soldaten.
In Bezug auf das Glaubensleben ist die Freude spürbar, die Klara an der Eucharistie und übrigens genauso am Hören des Wort Gottes hatte. Alles zusammen lässt schlussendlich die Kraft und Tiefe des Gebetes der Heiligen erahnen.
Einige Daten zu Klara von Assisi
- Geboren 1193 oder 1194 in Assisi
- März 1212 Flucht aus dem Elternhaus, Gelübde und Einkleidung im Kreis von Franziskus und seinen Gefährten
- 1212 Gründung der ersten Gemeinschaft in San Damiano
- 1215/16 Papst Innozenz III. verleiht ihr das Armutsprivileg
- 1240/41 Der glimpfliche Ausgang von Angriffen auf Assisi durch feindliche Truppen wird dem Gebet Klaras zugeschrieben.
- 9. August 1253 Bestätigung der Ordensregel durch Papst Innozenz IV.
- 11. August 1253 Klara stirbt im Kreis ihrer Mitschwestern
- 15. August 1255 Klara wird von Papst Alexander IV. heiliggesprochen
- Gedenktag: 11. August
Das Leben der heiligen Klara von Assisi
Wir schreiben das Jahr 1193, als Klara in Assisi als Tochter des Adeligen Favarone di Offreduccio di Bernardino geboren wird. Für Klara ist von ihrer Familie her der Weg in eine gut abgesicherte Ehe vorgesehen. Kein Weg allerdings, den Klara für sich selbst will. Viele Autoren und Forscher gehen davon aus, dass Klara den öffentlich bekannten Weg des Franziskus in die Armut verfolgt hat. Fest steht, dass auch das Zentrum ihres spirituellen Suchens der arme Christus ist. Dahinter steht der Gedanke, einem Gott, der im Stall geboren und am Kreuz gestorben ist, könne man am Authentischsten folgen, indem man selbst in Armut und Solidarität mit armen Menschen lebt. Vor ihrem Ausbruch aus ihrem Elternhaus trifft sich Klara, begleitet von einer Freundin, mehrmals mit Franziskus, um dieses Thema zu diskutieren und Wege ausloten, wie ein solches Leben für eine Frau in ihrer Zeit möglich sein kann. Franziskus ermutigt sie, auf Gott zu vertrauen, der für sie sorgen und sie schützen wird. Doch wie kann das in der damaligen Zeit bei einer Frau gehen? (1) Für Mädchen gibt es in dieser Epoche genau zwei mögliche ehrbare Lebenswege: Den als verheiratete Frau oder als Ordensfrau. Frauenorden des 12./13. Jahrhunderts sind durchwegs kontemplativ und schon daher ist nach gängigem Verständnis eine Absicherung ihres Lebens in Form von Besitz notwendig.
Flucht aus dem Elternhaus
Am Ende dieser bereits erwähnten Treffen steht die Flucht Klaras aus Elternhaus und Stadt: In der Palmsonntagsnacht 1212 lässt sie – vermutlich mit der Hilfe des Bischofs – ihr altes Leben hinter sich. Sie verspricht vor Franziskus und seinen Gefährten, nach den evangelischen Räten Armut, Gehorsam und Keuschheit zu leben und wird von ihnen „eingekleidet“ – sie erhält von ihnen ein einfaches Gewand. Unmittelbar nach der Feier wird sie vorerst zu ihrem Schutz im nahen Benediktinerinnenkloster untergebracht.
Wie erwartet taucht bald ihre Familie auf und versucht, sie mit Gewalt zurückzuholen. Klara pocht auf das damals allseits akzeptierte Kirchenasyl und hält sich am Altar fest, bis ihre Familie aufgibt.
In die Stille
Nun beginnt ein weiterer Weg der Suche: Klara verlässt die reichen Benediktinerinnen und lebt einige Zeit mit einer einfachen Frauengemeinschaft außerhalb der Stadt. Dort stoßen ihre leibliche Schwester und einige weitere Frauen zu ihr. Dies ist wichtig für sie, denn wie für Franziskus ist auch für Klara klar, dass das Leben, das sie führen will, ein gemeinschaftliches Leben ist. Nach ihrer Flucht aus dem Elternhaus ist Klara immer in Gemeinschaft. An ihrem ersten „franziskanischen“ Ort in San Damiano kann sie erst ankommen, als die Gefährtinnen zu ihr gestoßen sind.
Im Dach der kleinen Kirche von San Damiano wird ein Schlafsaal errichtet. Fortan wird dies der (erste) Ort der ständig wachsenden Frauengemeinschaft sein.
Die Geschwisterlichkeit in San Damiano ist vorerst noch nicht in allen Details ausdefiniert. So haben die Frauen zwar vom Ankommen Klaras an ihren eigenen Platz in der franziskanischen Familie, ihr Leben ist jedoch zu Beginn noch nicht so streng klausuriert, wie wir das heute kennen. Etwa gibt es Begegnungsorte im Kloster, wo Menschen mit den Schwestern in Kontakt kommen konnten.
Ein Element hat jedenfalls von Anfang an Bedeutung: Raum für Stille und Gebet. So ist von Klara überliefert, dass es einen Ort in ihrem Kloster gibt, an den sie sich immer wieder zurückzieht, um alleine zu beten, und auch ihre Mitschwestern motivierte, in die Stille zu gehen. Das mehrmalige Gebet am Tag ist bis heute auch bei den Schwestern gemeinschaftlich, ohne dass dies einen Widerspruch zur Bedeutung des Rückzugs in die Stille darstellt.
„Der Sohn Gottes ist uns Weg geworden”
Berufung ist für Klara kein festgefügter Moment oder Status, sondern der Weg, den sie geht. Im Gegensatz zu Franziskus verwendet Klara das Wort Berufung immer wieder, für sich und auch für ihre Mitschwestern. „Der Sohn Gottes ist uns Weg geworden“(KiW 45) schreibt sie einmal und blickt damit auf den Weg der Nachfolge des armen Christus. 1215/16 erhält Klara von Papst Innozenz III. das Privileg der Armut. Das bedeutet, dass niemand sie zwingen darf, Besitz anzunehmen. Dennoch kämpft sie bis an ihr Lebensende darum, dass dieser Teil der franziskanischen Berufung ihrer Gemeinschaft von Frauen auch in einer Regel garantiert bleibt. Nach einer Verschriftlichung dieser Lebensform, die Franziskus auf ihre Bitte verfasst, arbeitet Klara selbst an einer ausführlicheren Regel. Tatsächlich ist sie die erste Frau, die eine Regel für eine Ordensgemeinschaft von einem Papst bestätigt bekommt. Dafür braucht es jedoch eine heftige Auseinandersetzung mit Innozenz IV. und es wird bis wenige Tage vor ihrem Tod dauern, dass die päpstliche Bulle bei ihr eintrifft. Am 11. August 1253 stirbt Klara von Assisi im Kreis ihrer Mitschwestern und weiß sich noch am Totenbett glücklich, dass sie ihrer Berufung gefolgt ist.
Aus einer Gemeinschaft werden viele
Nach dem kontemplativen „zweiten“ franziskanischen Orden, dem Frauenorden der Klara, gründet Franziskus 1220 /21 den „dritten Orden“ (heute OFS), in dem Menschen ihren Platz haben, die nicht die Berufung zu klösterlichem Leben und Ehelosigkeit verspüren. Aus dem dritten Orden entwickeln sich am Ende des 13. Jahrhunderts auch sogenannte „klösterliche Terziare“, also franziskanische Frauengemeinschaften, die klösterlich, aber nicht kontemplativ sondern „in der Welt tätig“ leben. Diese Gemeinschaften sind beispielsweise caritativ oder im Schuldienst aktiv. Heute ist es kaum möglich, eine Zahl franziskanischer Frauenorden anzugeben.