Thomas von Olera – der „heilige Bruder von Tirol“

„Einfachheit gefällt Gott besser“, sagt der Kapuzinerbruder Tommaso einmal zu seinem Freund Hippolyt Guarinoni, als ihm der neue Gartenzaun zu stark aufgetragen erscheint. Die Rede ist von dem seligen Kapuzinerbruder Thomas von Olera. „Heiliger Bruder von Tirol“ wurde er ob seiner Beliebtheit gerufen – und das, obwohl er kaum Deutsch konnte. Zehn Jahre ist es jetzt her, dass dieser bescheidene Bettelbruder selig gesprochen wurde.

Thomas Acerbis, wie der Selige mit bürgerlichem Namen hieß, wurde 1563 in Olera geboren. In diesem kleinen, heute 300 Einwohner zählenden Dorf oberhalb von Bergamo wuchs er ohne Schulbildung auf. 1580 trat er mit 17 Jahren in den Kapuzinerorden ein, die Ordensgelübde als Laienbruder legte er 1584 ab. Entgegen der damaligen Praxis hatte er im Noviziat Lesen und Schreiben gelernt.

Thomas ist sein Leben lang Bettelbruder

Die Hauptaufgabe des jungen Kapuziners wurde nun das Betteln und sollte das auch für die nächsten 50 Jahre bleiben. Was sich hingegen mehrmals änderte, war sein Einsatzort – wie für die Kapuziner üblich, wurde er versetzt. 1619 übersiedelt er auf die ausdrückliche Bitte des Tiroler Erzherzogs Leopold V. nach Innsbruck. Später sollten er auch längere Zeit in Wien verbringen.

Was war an diesem einfachen Bettelbruder, dass der Landesherr ihn persönlich für sein Gebiet reklamiert und ihm fortan freundschaftlich verbunden ist?

Erfolgreich in der Rekatholisierung

Thomas muss, um mit den Worten unserer Zeit zu sprechen, eine charismatische Persönlichkeit und ein hervorragender Kommunikator gewesen sein. Mit seiner authentischen Bescheidenheit gewann er während der Bettelgänge schnell die Herzen der Menschen Er behandelte all gleich.  Sein großes Anliegen war es, Menschen für Gott zu gewinnen und in ihnen dieselbe brennende Liebe zu Gott zu wecken, die ihm selbst eigen war. Natürlich prägt auch der historische Hintergrund der Gegenreformation nach dem Trienter Konzil (1545-1563) seinen Einsatz: Die Wiedererstarkung des katholischen Glaubens war sein großes Anliegen. Sein Erfolg in der Rekatholisierung dürfte in bis zu Leopold V. gedrungen sein.

Der „Heilige Bruder von Tirol“ sprach kein Deutsch

In Tirol setzt er seine Bettelgänge in gewohnter Weise fort. Bezeichnend ist, dass er, obwohl kaum des Deutschen mächtig, dennoch so dauerhaft die Bevölkerung für sich einnimmt, dass er schon zu Lebzeiten unter dem Namen „Heiliger Bruder von Tirol“ bekannt ist. Eine Unterstützung war in der Anfangszeit sicher der Trienter Arzt Hippolyt Guarinoni, mit dem er schon lange freundschaftlich verbunden ist. Die beiden Freunde waren die treibenden Kräfte hinter dem Bau der Karlskirche in Volders.

Thomas Spiritualität: Ringen um die selbstlose Liebe

Zentral für die Spiritualität des Thomas von Olera war seine innige Gottesliebe, die ihn auch im Umgang mit seinen Mitmenschen prägte. Das Ringen um die reine, selbstlose Liebe zu Gott und zum Nächsten zieht sich durch alle seine Schriften. „Fuoco d’Amore“, Feuer der Liebe, ist auch Titel seines durch Hippolyt Guarinoni posthum veröffentlichten Werkes.

Stunden verbrachte Thomas abends vor dem Allerheiligsten und betete für die Mitmenschen, unabhängig davon, wie sie ihm begegnet waren. Er bemühte sich, Frieden zu stiften. Bekannt ist auch, dass er seine Furcht vor der Verdammnis überwand. Darüber hinaus werden ihm Weissagungen nachgesagt. Der katholische Glaube war für ihn „vernünftig“ – und als Mystiker, der in der Meditation die Erfahrung von Visionen und Ekstasen machen durfte sah er ihn in seiner eigenen Erfahrung bestätigt an.

Gegen Ende seines Lebens wurde er, obwohl einfacher Laienbruder, von vielen Zeitgenossen „Pater“ gerufen. Durch die ihm eigene Liebe Gott und zu seinen Mitmenschen wurde er für viele zum „Vater“.
Nach seinem Tod 1631 wurde Thomas von Olera in Innsbruck bestattet. Erst 2013 wurde er in Bergamo selig gesprochen.